Samstag, 18. Februar 2012

Thank you for your precious love

Gestern war die letzte Deutschstunde hier in Moree. Zunächst habe ich den am Vortag geschriebenen Deutschtest zurückgegeben, mit dessen Resultat ich wirklich zufrieden war, ebenso wie ja mein Kollege John in der letzten Woche, als er mit den deutschen Schülerinnen einen Fanti-Test geschrieben hat. Als „Belohnung“ und gleichzeitig als kleines Abschiedsgeschenk gab es ein wenig Schokolade eines deutschen Herstellers, die ich in Cape Coast beim ghanaischen Supermarkt (jedenfalls so etwas in der Art!) Melcom (Slogan:„Where Ghana shops!“) aufgetrieben hatte. 


Wie ausgerechnet deutsche Schokolade in die Melcom-Regale im Land der Kakao-Produktion schlechthin gelangt ist, will ich lieber gar nicht ergründen. Aber Süßkram ist in seiner Wirkung offenbar international. Auch in deutschen Klassen sind solche Belohnungen ja etwa nach erfolgreich verlaufenen Lehrproben sehr beliebt, aber die Reaktion meiner ghanaischen Schüler auf Zeit lässt sich eigentlich nur als Welle der Begeisterung angemessen beschreiben. Und natürlich haben sie fair geteilt – Ehrensache!

Sophia - ein ghanaisches Fremdsprachentalent
Anschließend habe ich mir noch einen großen Wunsch erfüllt. Schon seit der ersten Woche hier trage ich mich mit dem Gedanken, wie ich es bewerkstelligen kann, dass die wunderbaren jungen Menschen, die wir hier an der Moree Senior High Technical School kennenlernen durften, eine Botschaft nach Deutschland übermitteln können – etwas sagen, das ihnen wichtig ist, das ihnen und ihren Geschichten, ihren Wünschen und Gedanken ein Gesicht und eine Identität verleiht. Die von den deutschen Partnerinnen angefertigten Biographien waren ja bereits ein guter Schritt in diese Richtung, aber gestern wollte ich ihnen zum Abschluss meiner Deutschstunden auch eine Stimme geben.
Und so hat Ronny meine ghanaische Klasse gefilmt, während sie zu zweit oder zu dritt kurze Sätze in deutscher Sprache in die Kamera sagten, die sie vorher auf Englisch formuliert hatten. Ich habe zuerst an der Tafel übersetzt, wir haben die Aussprache gemeinsam geübt, und dann ging es schon los.
Während manche deutsche Schülerinnen, die ich kenne, doch eher kamerascheu sind, war der Enthusiasmus für dieses Vorhaben hier sofort gewaltig. Es wurde geschrieben, geschrieben, übersetzt und geübt, bis fast alle der zwanzig am Projekt beteiligten Schülerinnen und Schüler sich vorne in der ersten Bank sitzend hatten filmen lassen. „Ich bin…“ – so beginnt jede Stellungnahme, und dann folgen die unterschiedlichsten Gedanken über internationale Zusammenarbeit, Verantwortung für unsere gemeinsame Welt und Hoffnungen für die Zukunft. Vor allem ein Motiv zieht sich aber durch viele Beiträge: Dankbarkeit. Es ist genau das, was ich im Moment vor allem empfinde, und was sicher auch viele, wenn nicht sogar alle, der deutschen Schülerinnen teilen – Dankbarkeit für das fantastische Willkommen, das man uns hier bereitet hat, für die begeisterte Gastfreundschaft, für die Bereitschaft zur Kommunikation und zum gemeinsamen Lernen.
Vielleicht muss man hier gewesen sein, um voll erfassen zu können, wie tief dieses Dankbarkeitsgefühl geht, wie intensiv es meine letzten Begegnungen mit vielen Menschen, die ich vor drei Wochen noch nicht kannte, prägt. Treffender als Bridgett hätte ich es allerdings nicht ausdrücken können. „Thank you for your precious love!“, so wollte sie unbedingt auf Deutsch in die Kamera sagen. Wie übersetzt man das im Deutschen? „Vielen Dank für eure kostbare Liebe“? So habe ich es ihr zwar an die Tafel geschrieben, aber was sie eigentlich sagen wollte und dann auch gesagt hat, geht doch an und für sich in seiner englischen Bedeutung noch viel tiefer.


Bunt gemischte Tanzversuche bei der Abschiedsparty
In nur drei Wochen sind mir diese zwanzig jungen Ghanaer und Ghanaerinnen – und noch einige andere Schüler mehr, die ich in den Workshops begleiten durfte – sehr ans Herz gewachsen. Sie werden mir sicher fehlen, wenn ich erst wieder in Deutschland bin, ebenso wie meine allmorgendliche Stunde Deutsch. Jeden Tag habe ich mich mit „Auf Wiedersehen!“ von ihnen verabschiedet, und im Chor kam die Antwort: „Bis morgen!“ Das können wir ab heute nicht mehr sagen, denn am Montag kehren wir alle wieder in unseren eigenen – deutschen oder ghanaischen – Schulalltag zurück. Etwas aber wird ganz sicher in uns bleiben: Gewaltige Dankbarkeit.
(Marion Müller)

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