Als wir eintrafen, lag das Gelände noch in ziemlich schläfriger Stille.
Aber langsam füllte es sich, auch weil in einem Festsaal mit den
allgegenwärtigen Riesenlautsprechern eine ghanaische Hochzeit gefeiert wurde,
und die ersten Handwerker nahmen ihre Tätigkeit auf.
Wir liefen von Werkstatt zu Werkstatt, sahen uns einige Dinge an und ließen
uns beraten. Ganz hinten rechts auf dem Gelände befindet sich eine etwas
größere Bretterbude mit dem Namensschild „Goldweight“ über dem Türsturz. Hier
wurde ich fündig, denn hier werden u.a. aus Messing kleine Statuen z.B. von
Frauen beim Stampfen von Fufu, von Männern beim Spielen von Oware, einem
westafrikanischen Strategiespiel, oder von traditionellen Trommlern und Tänzern
hergestellt.
Außerdem fertigt Joseph, so heißt der Künstler, noch Adinkra-Symbole aus
diesem Messing. Adinkras (siehe Hintergrundbild unseres Blogs) sind eine
Symbol-Bildersprache der westafrikanischen Akan-Völker, zu denen sowohl die
Fanti der Küstenregion um Cape Coast als auch die hier in Kumasi ansässigen
Ashanti zählen. Jedes Adinkra hat eine eigene Bedeutung und begegnet einem hier
in Ghana auf Schritt und Tritt. Das bekannteste Zeichen ist sicher „GyeNyame“
(= Gott über alles), das von der Haustür über den Autoaufkleber bis hin zur
Rückseite von Plastikstühlen ALLES verziert. Mein Favorit heißt „Sankofa“, was
wörtlich bedeutet: Geh zurück und hole es. Symbolisch ist das so gemeint: Man
kann und soll immer bereit sein umzukehren, um Fehler der Vergangenheit zu
korrigieren und aus ihnen für Gegenwart und Zukunft zu lernen.
Die von Joseph angebotenen Adinkras, darunter natürlich auch „GyeNyame“ und
„Sankofa“, sind etwa so groß wie ein Fingerglied und haben einen kleinen
Anhänger. Man könnte sie auch als Kette tragen, aber ich habe im Sinn, sie,
wenn ich wieder zu Hause bin, an einem langen Band aufzureihen und so eine
Dekoration für mein Arbeitszimmerfenster anzufertigen.
Als Joseph das hört, wird er Feuer und Flamme. Er trägt eine Tabelle
herbei, die die Symbolik der verschiedenen angebotenen Adinkra-Schmuckstücke
erklärt. Wir legen sie nebeneinander, vergleichen und erfinden eine kleine
Geschichte, wie die ausgewählten Motive zueinanderpassen könnten. Joseph
spricht gutes Englisch, ist sehr freundlich, aber keineswegs aufdringlich, was
ich bei Verkaufsgesprächen allgemein sehr mag. Zwischendurch zeigt er mir auch
die Werkzeuge und Modelle, mit denen er die Adinkras herstellt. Vorlagen werden
aus Wachs geschnitzt, dann mit Ton umhüllt, der getrocknet wird. Anschließend
wird das Wachs herausgeschmolzen, und der entstandene Hohlraum kann dann mit
flüssigem Messing gefüllt werden.
Am Ende kaufe ich acht statt der ursprünglich geplanten fünf Anhänger, weil
ich mich einfach nicht entscheiden kann. Joseph schenkt mir noch ein neuntes,
das vage an ein Krokodil erinnert und ihm augenscheinlich besonders wichtig
ist. Mit einem geknoteten Plastiktütchen voller Adinkras verlasse ich zufrieden
die Werkstatt und freue mich schon darauf, wie sie als kleine Erinnerungen
nachts im Licht der Laterne vor meinem deutschen Arbeitszimmerfenster glänzen
werden.
(Marion Müller)
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