Montag, 11. Februar 2013

Adinkra

Sonntags haben wir als letzten Programmpunkt unseres Wochenendausflugs auch das Ashanti Cultural HeritageCentre in Kumasi besucht. Hier gibt es neben einem Museum, einer Bibliothek und viel grüner Fläche auch zahlreiche kleine Handwerksbetriebe und -läden, die sich auf die Herstellung und den Verkauf typisch ghanaischer Handwerkskunst spezialisiert haben

Als wir eintrafen, lag das Gelände noch in ziemlich schläfriger Stille. Aber langsam füllte es sich, auch weil in einem Festsaal mit den allgegenwärtigen Riesenlautsprechern eine ghanaische Hochzeit gefeiert wurde, und die ersten Handwerker nahmen ihre Tätigkeit auf.

Wir liefen von Werkstatt zu Werkstatt, sahen uns einige Dinge an und ließen uns beraten. Ganz hinten rechts auf dem Gelände befindet sich eine etwas größere Bretterbude mit dem Namensschild „Goldweight“ über dem Türsturz. Hier wurde ich fündig, denn hier werden u.a. aus Messing kleine Statuen z.B. von Frauen beim Stampfen von Fufu, von Männern beim Spielen von Oware, einem westafrikanischen Strategiespiel, oder von traditionellen Trommlern und Tänzern hergestellt.

Außerdem fertigt Joseph, so heißt der Künstler, noch Adinkra-Symbole aus diesem Messing. Adinkras (siehe Hintergrundbild unseres Blogs) sind eine Symbol-Bildersprache der westafrikanischen Akan-Völker, zu denen sowohl die Fanti der Küstenregion um Cape Coast als auch die hier in Kumasi ansässigen Ashanti zählen. Jedes Adinkra hat eine eigene Bedeutung und begegnet einem hier in Ghana auf Schritt und Tritt. Das bekannteste Zeichen ist sicher „GyeNyame“ (= Gott über alles), das von der Haustür über den Autoaufkleber bis hin zur Rückseite von Plastikstühlen ALLES verziert. Mein Favorit heißt „Sankofa“, was wörtlich bedeutet: Geh zurück und hole es. Symbolisch ist das so gemeint: Man kann und soll immer bereit sein umzukehren, um Fehler der Vergangenheit zu korrigieren und aus ihnen für Gegenwart und Zukunft zu lernen. 

Die von Joseph angebotenen Adinkras, darunter natürlich auch „GyeNyame“ und „Sankofa“, sind etwa so groß wie ein Fingerglied und haben einen kleinen Anhänger. Man könnte sie auch als Kette tragen, aber ich habe im Sinn, sie, wenn ich wieder zu Hause bin, an einem langen Band aufzureihen und so eine Dekoration für mein Arbeitszimmerfenster anzufertigen.

Als Joseph das hört, wird er Feuer und Flamme. Er trägt eine Tabelle herbei, die die Symbolik der verschiedenen angebotenen Adinkra-Schmuckstücke erklärt. Wir legen sie nebeneinander, vergleichen und erfinden eine kleine Geschichte, wie die ausgewählten Motive zueinanderpassen könnten. Joseph spricht gutes Englisch, ist sehr freundlich, aber keineswegs aufdringlich, was ich bei Verkaufsgesprächen allgemein sehr mag. Zwischendurch zeigt er mir auch die Werkzeuge und Modelle, mit denen er die Adinkras herstellt. Vorlagen werden aus Wachs geschnitzt, dann mit Ton umhüllt, der getrocknet wird. Anschließend wird das Wachs herausgeschmolzen, und der entstandene Hohlraum kann dann mit flüssigem Messing gefüllt werden.

Am Ende kaufe ich acht statt der ursprünglich geplanten fünf Anhänger, weil ich mich einfach nicht entscheiden kann. Joseph schenkt mir noch ein neuntes, das vage an ein Krokodil erinnert und ihm augenscheinlich besonders wichtig ist. Mit einem geknoteten Plastiktütchen voller Adinkras verlasse ich zufrieden die Werkstatt und freue mich schon darauf, wie sie als kleine Erinnerungen nachts im Licht der Laterne vor meinem deutschen Arbeitszimmerfenster glänzen werden.


(Marion Müller)



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