Freitag, 10. Februar 2012

Ghanaische Pünktlichkeit - auf ein Zweites

Ich muss einige Ergänzungen zu meinem ersten Artikel über die ghanaische Pünktlichkeit machen:

Zugegebenermaßen habe ich bei der letzten Betrachtung der Pünktlichkeit den deutschen bzw. europäischen Maßstab gesetzt.

Hinterher habe ich erfahren, dass die Ghanaer, die an einem Tag zu spät zu Frau Müllers Deutschunterricht kamen, von den ghanaischen Lehrern mit drei Schlägen wahlweise auf die Hand oder den Oberschenkel bestraft wurden. Ich muss gestehen, dass ich mich ein bisschen geschämt habe, als ich das erfahren habe.

Natürlich ist es so, dass die Ghanaer für mein, oder vielleicht auch unser, Empfinden zu spät kamen. Aber hier ist es nun mal so, dass das Empfinden für ‚zu spät sein‘ oder generell für die Zeit ein anderes ist. Dank des Kommentars meiner Schwester zu meinem letzten Artikel ist mir das jetzt auch klar bzw. einfach bewusster als es mir vorher war.

Ich glaube, ich habe es während der vergangenen 12 Tage nicht wirklich geschafft, meine Erwartungen herunterzuschrauben und mir klar zu machen, wo ich hier eigentlich bin.

Ghana ist anders.
Ghanaer sind anders.
Aber „anders“ heißt ja nicht gleich „schlecht“.
Ich habe gestern sehr lange mit Herrn Kusebauch gesprochen, weil es mir unglaublich schwer gefallen ist, anzukommen und mein Zuhause hinter mir zu lassen. Ich hab mich verkrampft in Aktivitäten gestürzt, um mich von meinem Heimweh abzulenken, ohne daran zu denken, dass Wegrennen keine Lösung ist und man sich gerade mit solch einem Problem auseinandersetzen sollte.

Man schafft es einfach nicht, eine andere Kultur und ihre Menschen innerhalb kürzester Zeit kennenzulernen, und mir stand es daher eigentlich nicht zu, über (Un-)Pünktlichkeit zu urteilen.

Aber man lernt ja dazu – ich lerne meine Mitmenschen hier Stück für Stück besser kennen, ohne sie in Schubladen zu stecken oder zu urteilen und ich habe das Gefühl, dass mir das Loslassen von Zuhause gestern und heute deutlich besser gelungen ist.
Hoffen wir also, dass es mir und uns allen weiter und immer besser gelingt, unsere Erwartungen anzupassen, uns selbst Zeit zu geben, das Land hier und seine Leute in Ruhe kennenzulernen (getreu dem ghanaischen Motto „There is no hurry in life!“) und letztlich so viel wie möglich aus diesem Abendteuer mitnehmen zu können.
(Carolin Both)

1 Kommentar:

  1. Wieder was gelernt! :-)
    Beneide dich um deine Erfahrungen, die du schon machen konntest!

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