Sonntag, 5. Februar 2012

Unterwegs im Taxi von Albert Hope

Wochenendgedanken auf dem Rückweg ins Resort...



Der Samstagsnachmittag neigt sich gen Abend, und nach einem langen Ausflugstag, der uns zunächst in den Kakum National Park und anschließend noch nach Cape Coast ins dortige Castle mit angeschlossenem Museum führte, sind wir ziemlich erledigt. Es ist extrem heiß gewesen heute, wir sind folglich komplett verschwitzt und sehnen uns nach Abkühlung. Auch die Ziegenmutter, die mit ihrem Nachwuchs im Schlepptau neben uns über den Abwasserkanal springt, scheint genug von der langsam erlahmenden Geschäftigkeit der Haupteinkaufsstraße in Cape Coast zu haben. Es wird Zeit für die Rückkehr nach Moree. 
 
So teilen Bruno, Herr Kusebauch und ich uns ein Taxi, doch ehe wir einsteigen und losfahren können, steht das typisch ghanaische Spielchen des Fahrpreisaushandelns an. Da wir inzwischen keine völligen Ghana-Frischlinge mehr sind, wissen wir, dass der Preis für die zu bewältigende Strecke zwischen sechs und acht GH Cedi liegen sollte. So kommt der erste Taxifahrer, der uns mutig zwanzig GH Cedi abverlangen möchte, nicht mit uns ins Geschäft. Da muss er wohl seine Geschäftsstrategien noch einmal überdenken.
Besser läuft es mit dem zweiten Taxifahrer, der uns fast sofort anschließend auf sich und sein Auto aufmerksam macht. Nach kurzer Verhandlung einigen wir uns auf sieben GH Cedi für die gesamte Fahrt und drei Personen im Taxi. Das ist ein vernünftiger Preis. Der Fahrer wirkt freundlich und kompetent, und auch das Taxi an sich hätte Chancen beim deutschen TÜV – was man nicht unbedingt von allen hier auf der Straße zu beobachtenden Vehikeln behaupten kann. ;-)
Bald schon verlassen wir den Stadtbezirk von Cape Coast und passieren das überlebensgroße Plakat am Straßenrand, das – inzwischen ziemlich ausgeblichen – an den Besuch von US-Präsident Barack Obama hier vor zwei Jahren erinnert. Es muss ein großer Festtag für die Menschen von Cape Coast gewesen sein, denn immer wieder findet er Erwähnung. Die Fahrt geht zunächst auf der gut ausgebauten Asphaltstraße flott voran, während aus dem Autoradio entspannende amerikanische Country-Musik dudelt. Ich spreche den Fahrer darauf an, und er lächelt. Er mag diese Musik, sagt er, und irgendwie passt sie zur spätnachmittäglichen Stimmung, auch wenn die Landschaft jenseits der Autofenster so gar nichts mit dem Mittleren Westen der USA gemeinsam hat – von Staub und Sonne vielleicht einmal abgesehen.
Dann und wann wechseln wir ein paar freundliche, relaxte Worte mit dem Fahrer, der Albert Hope (toller Name!) heißt, eine angenehm sanfte Stimme hat und uns nun in Richtung Moree Junction kutschiert. So langsam kommt der Verkehr ins Stocken, denn hier befindet sich an der Abzweigung, an der es rechts nach Moree und geradeaus weiter gen Accra geht, eine Polizeikontrollstation, die die Autos nur im Schritttempo passieren dürfen. Machtdemonstration oder Maßnahme zur Erhöhung der Verkehrssicherheit? Eindeutig beurteilen kann ich das ganz bestimmt nicht, auch wenn die Autos, in denen ich bislang gesessen habe, immer völlig anstandslos durchgewinkt wurden.
Während wir uns in die Schlage vor der Polizeisperre einreihen, betrachte ich die vielen Buden und Verkaufsstände, die sich an dieser Gabelung, etabliert haben. Fast alles, so scheint, es kann man an diesem Ort kaufen, auch wenn die Bretterbuden teilweise ziemlich behelfsmäßig aussehen. Ich erkenne Sofamöbel, Sonnenbrillen, Perücken, Koffer und Reisetaschen, simple hölzerne Schulbänke wie sie auch in unseren Klassenzimmern in Moree stehen, Ersatzreifen und vieles mehr.
Tiefkühlwaren preist ein Schild an, Fisch, Gemüse, Fleisch, alles tiefgefroren, und wie in Ghana weithin üblich führt das Schild auch einen christlich-religiösen Bezug. „Jesus reigneth supreme“, heißt es hier, und ja, das wirkt in Kombination mit „refrigerated goods, buy here“ ordentlich bizarr. Ich muss an einen kleinen Friseurladen in Moree denken, der auf seinem Schild verkündet: „The Lord is in control!“ Auch auf den einfachen Holzblöcken, die am Straßenrand aufgebaut sind und meist von Frauen oder Mädchen betreut werden, die dort kunstvoll gestapelte Yam-Knollen, Wasserbeutelchen oder in Tüten verpackten losen Reis verkaufen, stehen ähnliche Bibelzitate und religiöse Sprüche: „The Lord provides“ oder „Give unto the Lord“. Das Taxi vor uns hat einen etwas ausgeblichenen Sticker im Rückfenster: „I am covered all over in the blood of Christ, my sins washed clean through the mercy of the Lord.“
Irgendwann hat auch Albert Hopes Taxi die Barriere erreicht. Anhalten muss er nicht. Der Polizist winkt und lächelt freundlich. Im Schritttempo fahrend nehmen wir die Kurve unter lautem Hupen. Das ist hier so üblich, akustisches Blinken sozusagen. Die wuselnden Menschen gehen einen Schritt zur Seite, und wir nehmen wieder Fahrt auf in Richtung Moree. Unser Fahrer kennt sich bestens aus, biegt gegenüber der Schule, an der am Montag der Unterricht weitergehen wird, links ab zum Krankenhaus und schaukelt uns sachte über die hügelige Piste bis zum Resort. Oben auf der Erhebung sehen wir die Atlantikbucht in ihrer vollen Schönheit. Am Strand tummeln sich bereits einige der Schülerinnen, und irgendwie fühlt es sich fast ein wenig an als kämen wir nach Hause.
Mir fällt ein Fanti-Satz ein, den mir die Jungs aus meiner ersten Workshop-Woche zum Abschluss unserer am Ende doch erstaunlich produktiven Arbeit beigebracht haben: Ghana ye asumdwe man. Ghana is a peace country. Sie haben sich sehr gefreut, als ich ihnen das offenbar nicht vollkommen falsch nachgesprochen habe. Und irgendwie trifft dieser Satz Atmosphäre des langsam ausklingenden zweiten Samstags hier in Ghana ziemlich genau.
(Marion Müller)

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