Freitag, 10. Februar 2012

Wiedersehen mit Boateng

Fußball!!! :-)


Am Dienstag, den 8. Februar 2012 war das Halbfinale des Africa Cups, und Ghana spielte in dieser Begegnung gegen Sambia (wir wissen jetzt auch, wo das auf der Karte liegt!). Da viele Lehrer unserer ghanaischen Schule und auch die Schüler sehr fußballbegeistert sind, gab es die Möglichkeit, dieses Spiel in der Schule zu gucken. Public Viewing in Ghana - auch wenn uns Frau Müller vorher einschärfte, diesen deutschen False Friend hier bloß nicht zu gebrauchen, weil sonst alle englischsprachigen Ghanaer an eine öffentliche Leichenschau denken würden.

Eigentlich hätten an diesem Nachmittag wie immer nach der Schule bis 16.30 Uhr die Workshops sein sollen, aber da das Spiel schon um 16.00 Uhr begann, wurden die Workshops um eine halbe Stunde verkürzt. so hieß es zumindest vorher... Allerdings war an diesem Tag sowieso nicht an Arbeiten zu denken. Als wir in der Schule ankamen, war der ghanaische Patriotismus nämlich schon auf Hochtouren angekommen.

Manche Schüler hatten sich mit ghanaischen Flaggen geschminkt oder wie Philipp gleich das ganze Gesicht in Nationalfarben bemalt, sie trugen auch ein paar Fahnen, und es wurde allgemein gesungen und gefeiert. Wir lernten, dass man keine teuren Krachmacher braucht, um so richtig Stimmung zu verbreiten. Ein leerer gelber Benzinkanister aus Plastik und ein Holzlineal reichen dazu völlig aus. Gleichzeitig wurde wild an der Sicherstellung der Übertragungsmöglichkeit gebastelt - mit einer Leiter am Flachdach und einer erfinderischen Holzkonstruktion, die die mobile Antenne halten sollte.

Der Anpfiff war da noch gar nicht erklungen, aber gegen 16.00 Uhr versammelte sich die fußballbegeisterte deutsch-ghanaische Gemeinde zusammen mit in paar neugieriegen kleinen Kindern und den Schulhofziegen in einem Klassenraum, wo dann alle zusammen auf einen kleinen Flatscreen-Fernseher aus dem Lehrerzimmer starrten, der vorne auf dem Pult auf dem Papierkorb thronte.

Als nun endlich Ghanas Nationalhymne gespielt wurde, waren die Ghanaer nicht mehr zu halten. Alle sprangen auf die Tische und Holzbänke und sangen lauthals mit. Wir standen auch, denn wir waren ja immerhin solidarisch mit Ghana. Gut, dass uns nichts mit Sambia verbindet - so konnten wir den Patriotismus unseres Gastlandes ein wenig teilen, und das mit gutem Gewissen. Die Nationalhymne war allerdings kein einheitliches, beseeltes Singen, sondern ein euphorisches Mitgegröhle, das nach dem Anpfiff nicht geringer wurde. Es wurde sich nicht nur über jedes "Fast-Tor" oder jede gelbe Karte für die gegnerische Mannschaft gefreut, sondern vor allem auch über den Ballbesitz an sich - einfach aus Prinzip.

Die erste Halbzeit war eine Mischung aus freudigem und entsetztem Gegröhle. Leider fielen in den ersten 45 Minuten nur die Spieler, aber keine Tore, obwohl die Ghanaer klar besser waren und viele Chancen, sowie sogar einen verschossenen Elfmeter hatten. In dieser ersten Halbzeit hatten die deutschen Schülerinnen auch einen Flashback, da sie den Bruder des deutschen Spielers Boateng entdeckten und nun komischerweise auch anfeuerten, obwohl der doch vor zwei Jahren bei der WM "unseren" Ballack während des Spiels Deutschland gegen Ghana brutal foulte. Doch wir wurden einfach von der Euphorie der Ghanaer mitgerissen, so dass wir die Vergangenheit ruhen lassen konnten.

In der zweiten Halbzeit wurde es ein wenig ruhiger, so dass auch wir Deutsche beim Gröhlen hätten mithalten können. Als jedoch in der letzten Viertelstunde das einzige Tor - blöderweise für Sambia - fiel, erreichte die Stimmung schlagartig einen Tiefpunkt. Darauf verließen bereits die ersten Ghanaer aus enttäuschtem Protest den Raum. Andere folgten ihnen, bis am Spielende nur noch Deutsche und wenige Ghanaer im Raum saßen. Mit dem Schlusspfiff war dann klar, dass Ghana dieses chancenreiche, von vielen Fouls gespickte Spiel leider verloren hatte.

Was wir aus dieser Erfahrung mitnehmen:

Liebes Deutschland!

Beim nächsten Spiel der deutschen Nationalmannschaft und allen darauffolgenden Spielen wünschen wir uns, dass du dir doch bitte eine Scheibe vom feierlichen ghanaischen Patriotismus abschneidest. Merke dir zudem: Es zählen lediglich das Spiel und die Freude daran, nicht etwa die Verpflegungsmöglichkeiten (wir hatten Plantain-Chips, die ein kleiner Junge aus einer Blechschüssel auf seinem Kopf verkaufte), die Sitzgelegenheiten (quietschende Holzschulbank, teils etwas windschief, Hocker oder gleich Klassenraumboden) oder die Qualität und Größe des Fernsehers.

Am Samstag werden wir zwar das Spiel um Platz 3 wegen der Fahrt nach Kumasi nicht sehen können, aber natürlich drücken wir wieder Ghana die Daumen. Was interessiert uns schließlich Mali?  ;-)


(Jasmin Schmitz und Anka Altenbach)

1 Kommentar:

  1. Hallo Jasmin und Anka
    Danke für eueren ausführlichen Bericht.Es ist sehr interessant zu lesen wie dort das alltägliche Leben abläuft.Weiterhin noch eine gute Zeit mit vielen neuen Eindrücken.
    Deine Eltern Grüße auch an Anka

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