Samstag, 11. Februar 2012

Zu Gast in Ghana - alles easy oder Kulturschock?

Kulturschock - dieses wenig angenehm klingende Wort begegnete uns in der Vorbereitungsphase ständig. Wie würde er wohl sein, der Kulturschock, wenn man ihr erst einmal vor Ort erlebte? Diese Frage haben sich sicher viele von uns vorab gestellt, und auch jetzt kreisen die Gedanken immer wieder darum: Habe ich ihn, ganz individuell, den Kulturschock, und wenn ja, wie wirkt er sich möglicherweise bei mir persönlich aus?


Ich habe mir von Julia van Kempen ihren Reiseführer ausgeliehen. Stoße dabei auf  die Überschrift und lese Sätze, die mich schon bei meinem ersten Blogbeitrag beschäftigt hatten.
Zudem bemerke ich, wie unterschiedlich die einzelnen Schülerinnen den Aufenthalt verarbeiten. Eine zieht sich zurück, eine andere reagiert gereizt, die nächste stürzt sich in verschiedene Aktivitäten. Beispiele, von sich selbst und seinem Erleben abzulenken? Heimweh? Sehnsucht nach der Familie, dem Freund, nach dem Vertrauten? Ein Gespräch mit einer Schülerin zeigt, wie ich mich selbst in meiner Wahrnehmung des Landes erlebe. Unser Gespräch verdeutlicht mir, was uns in dem Vorbereitungsseminar vermittelt werden sollte und was wir vielleicht dort noch nicht so recht begriffen haben.
Unser Bild von Afrika: Giraffen, Elefanten und Lőwen. Der Autor des Reiseführers hat diese Tiere zum erstenmal im Berliner Zoo gesehen.Im Kakum-Park waren manche froh einen Schmetterling oder eine Raupe zu sehen. Lärmende Touristen, die kreischend über die Hängebrücken gehen, mőgrn ihren Spaß haben. Aber in den Wald muss man tiefer und mit Ehrfurcht eindringen. Dann hat man vielleicht Glück, ein Tier zu erspähen.Westafrika ist dichter besiedelt, der Raum für Tiere ist begrenzt. Das Tier als Nahrungsquelle, Landwirtschaft, Industrie  und Verkehr haben zu einer starken Dezimierung beigetragen.
Abziehbilder von Afrika – das funktioniert eben nicht. Der wohlwollende Tourist, der mit Vorstellungen vom „armen, aber netten und glücklichen Schwarzen“ kommt, wird schell desillusioniert. Man muss tatsächlich eine andere Bewusstseinsebene őffnen, wenn der Aufenthalt gelingen soll. Und das gelingt nach Ansicht des Autors nur wenigen Touristen, nämlich die Verhältnisse in einem Entwicklungsland richtig einzuschätzen.
Warum?
„Alles in Afrika ist anders, ganz anders?“
Stimmt der Satz? Und was ich im ersten Blogbeitrag unbewusst empfunden habe, lese ich nun hier:
„Bereits im Flugzeug lässt die erste Begegnung mit der afrikanischen Luft erahnen: Es ist viel heißer als vermutet. Die Luft ist staubig, es riecht anders! In Afrika sehen die Bäume anders aus, aber auch die Frauen und die Männer, die Katzen und die Hunde, das Essen. Die Städte sind laut, voll und schmutzig. Die Musik plärrt aus allen Richtungen, der Verkehr ist chaotisch, und all die dunklen Menschen in bunten Kleidern sprechen ein Wirrwarr von Sprachen, die der Reisende nicht versteht.“
Und dann dieser Satz: „ Eine Reise nach Ghana ist eine fühlbare Konfrontation mit der Unterentwicklung.“
Bücher, Statistiken und Filme über Afrika verblassen angesichts der selbst erlebten Facetten von Armut. Krasse Gegensätze und unterschiedliche Wertesysteme lassen den in seinen Gewohnheiten verharrenden Europäer vőllig verunsichert zurück. Die einen flüchten in touristischen Aktionismus, die anderen verfallen ins Apathische. Oder es werden Aggressionen frei über Alltagsdinge, die nicht so funktionieren, wie man es von zu Hause gewőhnt ist, und man verdirbt sich seine Laune mit Kleinigkeiten. Aber man vergisst zu fragen, wie es anders sein kőnnte in einem Kontinent, dem Europa jahrhundertelang das Tempo der Entwicklung vorgegeben hat, während der Kontinent nur zur Ausbeutung diente.
Wie kann man nun dem begegnen? Durch Vorbereitungsseminare oder durch Reiseführer?  Sollte man also therotisch gut präpariert die Reise antreten ? Ich verstehe nun, dass unsere Seminare zwar vorbereiten sollten, unsere Einstellung zu überdenken, der Kulturschock aber nicht zu vermeiden ist. Wieder wird mir klar, dass der Spruch des Abtes, als ich zum ersten Mal nach Polen fuhr, so treffend  ist. „Wenn Sie durch unser Land fahren, schauen Sie mit dem Herzen.“ Im ghanaischen Reiseführer wird aufgefordert, mit anderen Augen sehen zu lernen. Wenn man sich darauf nicht einlässt, wenn man ständig in seinen europäischen Maßstäben verhaftet bleibt, wird man diesen Kontinent nicht erfahren, verstehen schon gar nicht.
Aber wie lasse ich mich mit dem Herzen auf ein Land ein? Den Schritt muss jeder für sich alleine machen. Da gitbt es eben keine gültigen Verhaltensanweisungen. Ich verstehe jetzt, warum die endlosen Fragen vor der Reise eigentlich zum Teil überflüssig waren. Es ist eben alles anders in Afrika. Für mich beginnt die Reise erst jetzt richtig!
(Ralf Kusebauch)

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